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Mittwoch, 8. April 2009

Einschränkungen der EU-Bürokraten betreffen nicht nur unsere ätherischen Öle

In Das Magazin [Nr. 14 Wochenbeilage des Schweizer Tages-Anzeigers vom 04.04.2009] fand ich ein höchst amüsantes Interview mit dem Parfüm-Kritiker Luca Turin, der kürzlich ein ungewöhnliches Buch* zur unerschöpflichen Welt der Duftwässerchen geschrieben hat. Knapp 1500 Parfüms werden auf unterhaltsame Weise rezensiert mit einem (awful) bis fünf Sternen (Masterpiece) à la Meisterköche bewertet.
Von Shalimar (Guerlain) behauptet er, es könne wegen des Vanilleduftes gut auf Dinnerpartys getragen werden.
Zu den neuen Düften von Comme des Garcons, die wie Fotokopierer, Benzin oder Teer riechen: „ ...wenn es ein wirklich großartiger Fotokopierer ist, dann will ich am Ende vielleicht auch so riechen?“
Auf die Frage “Welches Parfum ist das Schlechteste aller Zeiten?“ antwortet er: „Michael“ von Kors! Sehr erfolgreich, Gott allein weiß warum. Ich halte es für ein Verhütungsmittel.“
Zu „Polo“ (Ralph Lauren): „Das Zeug riecht fantastisch. Es fühlt sich beruhigend und konservativ an, wie kurzes Haar, das in einem sauberen Seitenscheitel frisiert ist, an einem Mann, der ansonsten charmant verwahrlost ist.“
Zum schokoladigen „Angel“, das heutzutage so viele junge Frauen übertrieben und belästigend tragen: „Früher glaubte ich naiverweise, Frauen sollten entweder nach Blumen oder nach Bonbons riechen. ... Da vermischen sich zwei Tonarten, die aber auch gar nichts miteinander zu tun haben. Es ist unfassbar dissonant – aber es funktioniert.“
Wie in der Aromatherapie haben die Synthetikduft-Mischer zur Zeit schwer zu leiden. Luca Turin zu den neuestens Einschränkungen von Duftstoffen:

„Die EU ist ein komplettes Desaster für Parfüms. Das hat mich zu einem richtigen Anti-Europäer gemacht. Wenn es um Parfüms geht, finde ich mich plötzlich auf einer Seite mit Margaret Thatcher wieder. Dass diese bescheuerten Bürokraten unser Leben zerstören. Wie auch immer: Man sollte alle Dermatologen erschießen. Das mal zuerst. Ab Juni wird as größte Parfum aller Zeiten (Mitsouko) in seiner bisherigen Form nicht mehr zu kaufen sein. Der 1. Juni bedeutet das Ende der Zivilisation, wie wir sie kennen. Das ist als würde man die Farbe Grün für Gemälde verbieten. ... und wenn diese Schmocks so weitermachen, ist das erst der Anfang. Es mag Klavierkonzerte für eine Hand geben, aber keine, die man ohne Hand spielen kann.“

Wer Luca Turin im Film erleben möchte, sollte sich die klasse DVD "Parfum" für knapp 30 Euro bei der NZZ gönnen, man kann ihn darauf 18 Minuten erleben, dazu den weltberühmten Duftsucher und Parfümeur Roman Kaiser und das Hauptthema der silbernen Scheibe ist ein Film über Grasse und die Kunst des Parfüm-Herstellens.
*Luca Turin, Tania Sanchez „Perfumes: The Guide“. Viking London 2008, Euro 19.90

3 Kommentare:

michaela 3er hat gesagt…

Da nimmt sich einer kein Blatt vor den Mund - wie wohltuend. Mich wundert, dass nicht einmal die Lobby der großen Namen und Hersteller wie Guerlain gegen diesen EU- Bürokratismus angehen können! Aber so lange Mineralöl, Alluminium und Parabene in den Kosmetiaks verwendet werden dürfen ist ja alles gut....!! Danke für den Beitrag, Eliane - der so humorvoll begann - bis das dicke Ende kam!
michaela 3er

Aromula hat gesagt…

WOW! Genau so (also fast) hätte ich "Polo" auch beschrieben. Gute Duftbeschreibungen sind soooo selten, aber wenn man eine mal zu lesen bekommt, ist das ein ganz großes Glücksgefühl: Der Duft entsteht dabei direkt aus dem NICHTS und wird durch die Kraft der Fantasie riechbar, wirklich seeeehr nah am vielbeschworenen Geruchsinternet. Hoffentlich bleibt es uns noch lange erspart und die Leute üben statt dessen, sich so gekonnt auszudrücken. Danke für diese schöne Lektüre!
Ganz liebe Grüße von Ula

sissy hat gesagt…

diese zwangsbeglückung, wie man künftig riechen darf/kann stinkt zum himmel.
hier sind grenzenlose ignoraten bzw. gut bezahlte lakaien der lebensmittel- und pharmaindustrie am werk. die supermärkte sind voll mit unverträglichen lebensmittel bzw. kosmetika und alle schauen tatenlos zu. anläßlich einer diskussion über den einsatz von pestiziden habe ich eine runde von Bauern gefragt, ob sich ihre Enkeln, wenn der boden und das grundwasser ausgelaugt und ruiniert sind, von euroscheinen ernähren können - die antwort war betretenes schweigen.
genauso schweigt leider die EU zu diesem thema
ich besorge mir heute noch ein hoffentlich altes mitsouko, ich liebe es seit mehr als 30 jahre,
danke für den tollen beitrag
lg sissy